Immer noch sturm

von Peter Handke

Besetzung: Ich – Christoph Rothenbuchner // Meine Mutter –  Seyneb Saleh (Tanja Certov/ Judith Grandits) // Meine Großmutter – Seyneb Saleh (Ivanka Gruber/Heide Gaidoschik) // Mein Großvater – Julius Feldmeier (Ludwig Gruber/Andreas Kueß) // Gregor, »Jonatan«, der älteste Bruder der Mutter – Kaspar Locher (Tomaž Kovačič/ Matej Bunderla) // Valentin, der zweitälteste der Brüder – Jan Thümer (Stipe Subasic/Stefan Czvitkovich) // Ursula, »Snežena«, Schwester der Mutter –  Birgit Stöger (Lara Vukovic/ Petra Kohlenprath) // Benjamin, der jüngste Bruder – Julius Feldmaier (Damijan Smrečnik/Max Gallob)

Musiker: Christian Bakanic, Bernhard Neumaier, Philipp Pluhar, Manfred Temmel

Regie & Bühne: Michael Simon
Kostüme: Denise Heschel
Musik: Bernhard Neumaier
Dramaturgie: Heike Müller-Merten
Licht: Thomas Trummer

Schauspielhaus Graz 2014

Originalbeitrag für das Programmheft (Auszug):

Eine Heimsuchung

Peter Handkes Epos, das er als historisches Traumspiel bezeichnet, ist eine Reise zurück zu den Vorfahren, so wie sie von seinem dichterischen „Ich“ erinnert und erträumt werden. Seine Mutter mit ihren Eltern und vier Geschwistern bevölkern wie in einer Familienaufstellung die Phantasie des Erzählers; Orte seiner Kindheit sind Erinnerungslandschaft, eine Heidesteppe im Jauntal. Die Ahnen lassen sich nicht abschütteln, verändern ihre Erscheinungsform, suchen ihn zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten heim. Ihre Geschichten sind Geschichte, gelebte, vielfach gedeutete, missdeutete. Unbewältigt. Sie gehören zur Volksgruppe der Slowenen in Kärnten. Das paradiesisch verklärte goldene Zeitalter der Kleinhäuslerfamilie Svinec auf ihrer Apfelplantage findet mit dem Einbruch der deutschen Besatzer ein jähes Ende. Haus- und Hofsprache werden verboten, Bürgerrechte geraubt, Existenzen vielfach tödlich bedroht. Der Nachgeborene, der während seiner Traumfahrt Zeiten und Perspektiven zu wechseln vermag, erfährt über Feldpostbriefe dreier Onkel vom Krieg, mit dem die »Großdeutschen« gegen die Welt vorgehen. Zwischen zwei Todesnachrichten ist geboren, Kind einer kurzen Liebe zwischen der Mutter und einem deutschen Wehrmachtssoldaten. Zwei Brüder der Mutter sterben auf fernen Schlachtfeldern, der dritte desertiert von der verhassten Truppe, um zu den Partisanen zu gehen. Die Schwester hatte sich schon vorher den »grünen Kadern« angeschlossen, um in den Heimatwäldern bewaffneten Widerstand zu leisten. Schwer tragen sie an diesen Entscheidungen, erleiden Opfer und Entbehrungen.

Als die Überlebenden endlich das Ende des Krieges feiern, erweist sich die Ruhe nach dem großen Sturm als so kurz wie trügerisch, der Frieden als faul. Denn die Sieger sind binnen kurzer Zeit wieder zu Ohnmächtigen geworden; ihnen wird erneut das Recht auf Sprache und damit auf kulturelle Beheimatung abgesprochen, und ihr Widerstand dient nicht Wenigen zum Anlass für Anfeindungen. Der Nachgeborene (…) reibt sich an der vorherrschenden Deutung der Geschichte, die wieder und anders und neu zu erzählen er sich ermächtigt

© Heike Müller-Merten

 

Trailer (externer Link):